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Vorurteile bestätigt Fake News werden durch Suchmaschinen erfolgreicher

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Mit einem weltweiten Marktanteil von rund 90 Prozent ist vor allem Google im Fokus der Forschung.

Mit einem weltweiten Marktanteil von rund 90 Prozent ist vor allem Google im Fokus der Forschung.

(Foto: picture alliance / Bildagentur-online/Schoening)

Eine neue Studie stellt fest, dass Personen, die den Wahrheitsgehalt von Meldungen mithilfe von Suchmaschinen überprüfen, falsche Informationen häufiger für wahr halten als solche, die keine Online-Recherche durchführen. Das liegt nicht nur an den Nutzerinnen und Nutzern, sondern auch an Google & Co.

US-Wissenschaftler haben in einer bei "Nature" veröffentlichten Studie herausgefunden, dass der Ratschlag, in sozialen Medien aufgeschnappte Informationen online zu überprüfen, nicht unbedingt dazu führt, dass Menschen seltener auf Fake News hereinfallen. Im Gegenteil: Die Forschungsarbeit kam zu dem überraschenden Ergebnis, dass Personen, die Meldungen per Online-Suche verifizieren, häufiger Falschinformationen glauben.

Für die Studie ließen die Forscher 3006 Personen wahre und falsche Meldungen beurteilen, die ihnen von Mainstream-Medien und Quellen mit geringer Qualität gezeigt wurden. Die zu beurteilenden Berichte waren nicht älter als 48 Stunden. Die Wissenschaftler ihrerseits ließen die Meldungen von Fachleuten überprüfen und als wahr, falsch oder irreführend beziehungsweise nicht zu bestimmen einordnen.

Eine Hälfte der Teilnehmenden sollte für die Bewertung eine Online-Suchmaschine nutzen, die andere Hälfte erhielt die Anweisung, ohne Suchmaschine eine Bewertung abzugeben. Erstaunlicherweise war bei Personen, die eine Suchmaschine verwendeten, die Wahrscheinlichkeit 19 Prozent höher, eine falsche Meldung als wahr zu bewerten als bei der Gruppe, die nicht mit einer Suchmaschine recherchieren durfte. Gleichzeitig stellten die Forscher fest, dass eine Online-Recherche nicht zu einer höheren Zustimmung zu wahren Berichten führt.

Folgeuntersuchungen ergaben, dass eine Online-Recherche auch dann die Zustimmung zu Fake News wahrscheinlicher machte, wenn zuvor eine erste Meinungsbildung stattgefunden hatte oder die Meldungen schon älter waren. Auch beim Thema Corona-Pandemie, über das viel und ausführlich berichtet wurde, blieb es dabei.

Die Studie stützt eine Theorie, wonach Online-Suchen nach Fehlinformationen nur wenige glaubwürdige Informationen liefern und stattdessen Fake News an der Spitze der Ergebnisse stehen. Dies gelte insbesondere bei Fehlinformationen über aktuelle Ereignisse, so die Theorie.

Fake News verbreiten Fake News

Dies könne daran liegen, dass zweifelhafte Quellen Suchbegriffe gezielt in ihren Texten einsetzen, um solche Ergebnisse zu erzeugen, heißt es in der Studie. Andererseits zitierten solche Medien häufig ähnliche Berichte anderer Quellen. Auch seriösere Portale könnten aufgrund einer "Medien-Dynamik" Fake News aufgreifen, wodurch diese sich in den Suchmaschinen gegenüber weniger glaubwürdigen Berichten durchsetzten.

Bei kürzlich verbreiteten Nachrichten sei es zudem wahrscheinlich, dass sie noch nicht von Faktencheckern verifiziert wurden. Daher sei es nicht verwunderlich, dass man besonders häufig mit Falschmeldungen konfrontiert werde, wenn man unglaubwürdige Berichte durch eine Online-Suche überprüfen möchte, schreiben die Verfasser der Studie.

Das ist problematisch, denn ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass Personen, die die Suchergebnisse mit der schlechtesten Nachrichten-Qualität erhielten, am ehesten Falschinformationen Glauben schenkten. Probanden, die sehr gute Ergebnisse sahen, hielten dagegen Fake News ebenso selten für wahr wie die Gruppe, die keine Suchmaschine einsetzte.

Qualität der Suche entscheidend

Die falsche Beurteilung irreführender Meldungen ist laut Studie aber vorwiegend auf die Qualität der Online-Recherche zurückzuführen. So sahen die Probanden, die eine Überschrift oder die Adresse (URL) eines unwahren Berichts in der Suchmaschine eingaben, besonders oft Fehlinformationen in den Ergebnissen. 77 Prozent dieser Suchanfragen lieferten mindestens einen Link zu Fake News in den Top-10-Ergebnissen, während es sonst nur bei 21 Prozent der Suchen der Fall war.

Menschen suchten oft gezielt nach Informationen, die ihre bereits bestehenden Ansichten bestätigen, anstatt nach objektiven und zuverlässigen Quellen zu suchen, kommentiert Josephine Schmitt die Studie. Sie ist wissenschaftliche Koordinatorin am Center for Advanced Internet Studies (CAIS) in Bochum. "Dies kann dazu führen, dass sie bewusst oder unbewusst minderwertige Informationen bevorzugen und akzeptieren. Das Wissen darüber, was zuverlässige und objektive Quellen ausmacht, ist in vielen Teilen der Gesellschaft nur schwach ausgeprägt. KI-generierte Inhalte, insbesondere Bilder und Filme, erschweren die Identifikation zusätzlich."

Politische Einstellung möglicherweise wichtiger

Philipp Müller, akademischer Rat am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft der Universität Mannheim, sieht dies ähnlich. Er weist allerdings darauf hin, "dass die Ergebnistabellen im Anhang der Studie klar zeigen, dass eine Übereinstimmung mit der politischen Botschaft einer Falschmeldung wesentlich wichtiger dafür ist, ob diese als glaubwürdig gehalten wird, als die Informationssuche".

Müller ist nicht der Ansicht, dass die Studie so interpretiert werden sollte, dass minderwertigen Quellen stärker geglaubt werde. "Es stimmt, dass die Ergebnisse zeigen, dass ein höherer Anteil minderwertiger Quellen in Suchergebnissen die Glaubwürdigkeit von Falschinformationen erhöht, wohingegen ein höherer Anteil hochwertiger Quellen deren Glaubwürdigkeit nicht klar senkt, im Vergleich zur Kontrollgruppe. Dies kann jedoch auch bedeuten, dass in der Kontrollgruppe, die nicht nach Informationen gesucht hat, bereits eine gute Einschätzung der Falschinformationen stattgefunden hat, die sich durch Recherche nicht wesentlich verbessert."

Algorithmen verstärken Problem

Die Experten sind sich einig, dass auch die Algorithmen der Suchmaschinen eine wichtige Rolle spielen. Sie verknüpften Inhalte und würden durch die Suchhistorie der Nutzerinnen und Nutzer beeinflusst, sagt Josephine Schmitt. "Wenn jemand also bereits minderwertige Quellen besucht hat oder nach ihnen sucht, neigen die Algorithmen dazu, ähnliche Inhalte vorzuschlagen. In diesem Zusammenhang ist vor allem auch die Fähigkeit 'gute' Suchen formulieren zu können, also über effiziente Suchstrategien zu verfügen, zentral."

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Sabrina Heike Kessler sieht darin eine große Verantwortung von Google & Co. Sie ist Senior Research and Teaching Associate am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung, Abteilung Wissenschaftskommunikation, der Universität Zürich. Sie müssten ihre Algorithmen "mit Sorgfalt und Verantwortungsbewusstsein" gestalten. "Für uns Forschende bleibt die genaue Funktionsweise dieser Algorithmen jedoch oft eine undurchsichtige 'Blackbox'. Ohne Zugang zu den entsprechenden Daten können wir nicht genau bestimmen, ob und wie - und bei welchen Themen - eine solche verantwortungsvolle Anpassung tatsächlich ausreichend stattfindet."

Ein "Schlüsselelement" sei außerdem die "Förderung von Quellen- und Medienkompetenz in allen Altersgruppen", sagt Josephine Schmitt. "Dazu gehört Wissen über die Funktionsweise von Suchmaschinen, Algorithmen, Medienkritikfähigkeit sowie über Suchstrategien. Der derzeit weitverbreitete Fokus auf jüngere Zielgruppen ist zwar hilfreich, allerdings sollten mit Blick auf die zunehmende Verbreitung und Akzeptanz vielfältiger Falschinformationen Quellen- und Medienkompetenz als ein unverzichtbares Element für das reibungslose Funktionieren unserer Demokratie in allen Altersgruppen verstanden werden."

Quelle: ntv.de

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