Wissen

Hautnah dran am Ex-Planeten Leben in Pluto-Ozean denkbar

Die Sonde "New Horizons" soll feststellen, ob es auf Pluto einen Ozean gibt.

Die Sonde "New Horizons" soll feststellen, ob es auf Pluto einen Ozean gibt.

(Foto: Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Southwest Research Institute)

Zum ersten Mal wird am 14. Juli 2015 mit "New Horizons" eine Raumsonde den weit entfernten Pluto erreichen. n-tv.de spricht mit Planetenforscher Ralf Jaumann über die Ziele der Mission und die Möglichkeit von außerirdischem Leben auf dem Zwergplaneten.

Im Weltraum geht es derzeit hoch her: Nach den spektakulären Entdeckungen der Nasa-Sonde "Dawn" auf dem Zwergplaneten Ceres und der Landung von "Philae" auf dem Kometen Tschurjumow-Gerassimenko steht der Wissenschaft ein neues Highlight ins Haus: Am 14. Juli 2015 wird die Nasa-Sonde "New Horizons" als erstes menschengemachtes Objekt den fast fünf Milliarden Kilometer entfernten Zwergplaneten Pluto erreichen. Wir sprachen mit Planetenforscher Ralf Jaumann vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) über die Erkenntnisse, die sich die Wissenschaftler erhoffen, einen möglichen Ozean auf Pluto und ob es dort die Möglichkeit für primitives Leben gibt.

Ralf Jaumann ist Planetenforscher am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin.

Ralf Jaumann ist Planetenforscher am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin.

(Foto: privat)

n-tv.de: In dieser Woche werden Forscher das erste Mal überhaupt einen genauen Blick auf Pluto werfen können: Am Dienstag wird sich die Sonde "New Horizons" nach mehr als neun Jahren Flugzeit dem Zwergplaneten nähern und erstmals scharfe Bilder zur Erde senden. Was bedeutet das für einen Planetenforscher? Ist man da aufgeregt?

Ralf Jaumann: Das ist für die beteiligten Forscher die Woche ihres Lebens. Das ist wie bei einem Fußballfan, der sich auf das große Endspiel freut, bei dem seine Traummannschaft auch noch dabei ist. Ich kann das aus eigener Erfahrung sagen, da wir am DLR viele Missionen betreuen. Wir haben seit zehn Jahren eine Kamera, die den Mars umkreist. Wir haben Instrumente auf der Cassini-Mission im Saturn-System, die immer noch Daten liefern. Das ist einfach spannend, denn wir sind jedes Mal die ersten Menschen, die diese Bilder sehen. Und das geht den amerikanischen Kollegen bei der Pluto-Mission genauso.

Was ist an Pluto so besonders, dass eine eigene, Jahre andauernde Mission dort hingeschickt werden muss? Was rechtfertigt diesen Aufwand?

Es ist mit Sicherheit Neugier. Es ist aber auch der Grund, dass wir nicht genau wissen, wie die Prozesse dort draußen im Weltall ablaufen. Dort gibt es Umweltbedingungen, bei denen die Temperaturen bei unter minus 230 Grad Celsius liegen. Wenn man als Forscher nun wissen will, wie sich unter diesen Bedingungen etwa Eis im Zusammenspiel mit anderen Stoffen verhält - das können sie auf der Erde im Labor gar nicht sicher nachstellen. Etwa, weil der Druck hier viel zu hoch ist. Ein anderer Grund ist, dass wir einfach wissen wollen, was da draußen los ist. Wir wissen, dass es dort sehr viele Objekte gibt in der Größe von Pluto und auch größer. Jetzt ist die Frage: Warum haben sich da draußen so viele Körper geformt und warum ist da draußen kein großer Planet mehr entstanden?

Unter der eisigen Oberfläche von Pluto wird sogar ein Ozean mit flüssigem Wasser vermutet. Neben Wasser gibt es auf Pluto auch Stickstoff und Kohlenwasserstoffe. Wäre unter diesen Voraussetzungen auch Leben am Rand unseres Sonnensystems denkbar?

Na ja, die simple Antwort darauf ist: Ich habe einen Gesteinskern, er liegt unter einer Eisdecke, ist teilweise warm und kann Aktivität aufweisen. Wenn dann an der Basis der Eiskruste Wasser entsteht, dann löst es das Gestein und es entsteht eine Suppe aus Nährstoffen - man hat also eine Ursuppe. Die Bedingungen für Leben, wie die Biologen sie definieren, wären damit vorhanden. Wir wissen aber nicht, was es genau braucht, damit aus einer solchen Ursuppe auch Leben entsteht. Auf der Erde können wir das jedenfalls nicht mehr herausfinden. Denn diese frühe Erde, die diesen Zustand hatte, die gibt es nicht mehr. Deshalb bleibt uns sowieso nichts anderes übrig, als da draußen nachzuschauen. Die Wahrscheinlichkeit jedenfalls, dass dort auch Leben entstanden ist, ist gegeben - solange ich Wasser habe und genügend Nährstoffkonzentration.

Wie kann "New Horizons" feststellen, ob es einen Ozean auf Pluto gibt?

Da gibt es zwei Methoden, eine geologische und eine physikalische: Die geologische ist, dass sie sich die Oberfläche des Pluto anschauen und prüfen, ob dort Veränderungen zu erkennen sind, etwa Risse in der Kruste oder Hinweise auf sogenannten Kryovulkanismus – also Eis-Vulkanismus. Dann weiß man, dass es zumindest mal einen Ozean gegeben hat. Um herauszufinden, ob es heute noch einen Ozean gibt, benötigt man allerdings die physikalische Methode: Die Sonde "New Horizons" wird beim Vorbeiflug an Pluto durch dessen Gravitation angezogen. Diese Ablenkung ist von der Erde aus messbar – und von dem Ausmaß der Ablenkung kann man auf eine Anomalie im Untergrund von Pluto schließen, also etwa einen Ozean.

Der Zwergplanet Pluto ist ja nicht allein da draußen, sondern Teil des Kuipergürtels, einer Region mit zigtausend ähnlichen Objekten. Die Nasa-Sonde "New Horizons" wird nach der Pluto-Annäherung tiefer in diese Region vordringen und noch andere Objekte fotografieren. Warum ist dieser Bereich so interessant für Astronomen?

Da draußen ist es so kalt, dass das ursprüngliche Material des Sonnensystems konserviert wurde. Es ist, als würden sie etwas in die Kühltruhe legen. Es ist ein Blick auf die Anfänge unseres Sonnensystems.

Das Thema außerirdisches Leben lässt im Zusammenhang mit solchen Missionen die Herzen der Menschen immer wieder höher schlagen. Wenn Sie eine persönliche Einschätzung abgeben müssten - glauben Sie, dass in unserem Sonnensystem außerhalb der Erde noch Leben gefunden wird?

Der Punkt ist, wir haben noch nicht alle Bedingungen verstanden, die Leben ermöglichen. Das Medium Wasser und eine gewisse Konzentration von Nährstoffen sind unabdingbare Voraussetzungen. Aber sie sind nicht notwendigerweise hinreichend, da muss noch etwas anderes sein. Aber was - das haben wir noch nicht verstanden. Anderseits sage ich mal aus einem statistischem Ansatz heraus: Warum sollte der chemische Prozess zur Entstehung von komplexen Kohlenwasserstoffen, der auf der Erde abläuft, nicht auch woanders ablaufen? Aber wir sind hier in einem Grenzbereich, das ist nicht mehr wissenschaftlich. Das ist schon eher eine Glaubensfrage.

Mit Ralf Jaumann sprach Kai Stoppel

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen