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Rückblick auf Corona-Maßnahmen Wie effektiv waren Lockdowns, Maskenpflicht und 3G?

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Vor nicht allzu langer Zeit gehörten noch Masken zu unseren täglichen Begleitern. Doch haben sie uns auch ausreichend geschützt?

Vor nicht allzu langer Zeit gehörten noch Masken zu unseren täglichen Begleitern. Doch haben sie uns auch ausreichend geschützt?

(Foto: imago images/onw-images)

Vor fünf Jahren erreichte mit dem ersten Corona-Fall die Pandemie auch Deutschland. Um das Virus einzudämmen, ergriff die Regierung viele Maßnahmen - einige sind bis heute umstritten. Doch haben Lockdowns, die Maskenpflicht und die 3G-Regel überhaupt etwas gebracht? Ein Rückblick.

Es ist der 27. Januar 2020: Ein 33 Jahre alter Mann wird positiv auf ein damals noch wenig erforschtes Coronavirus getestet. Er arbeitet für den bayerischen Autozulieferer Webasto und hatte sich bei einer aus China angereisten Kollegin angesteckt. Er bleibt nicht der Einzige. Es folgen weitere Ausbrüche in immer mehr Bundesländern. Unaufhaltsam breitet sich der neuartige Erreger aus und bringt eine Reihe von Maßnahmen ins Rollen, die das Leben der Menschen für die nächsten Jahre nachhaltig verändern werden - und zum Teil bis heute umstritten sind. Vor allem Lockdowns, Maskenpflicht und die 3G-Regel erhitzen damals wie heute die Gemüter. Doch wie effektiv waren sie rückblickend?

Lockdowns

Vor allem zu Beginn der Pandemie war das oberste Gebot: Infektionsketten unterbrechen und so das Gesundheitssystem vor Überlastung schützen. Denn ein Blick ins italienische Bergamo verhieß nichts Gutes. Bilder von überfüllten Intensivstationen, wo viele schwer an Covid-19 Erkrankte kaum behandelt werden konnten, gingen um die Welt. Hunderte Menschen starben. Bei den Bestattern stapelten sich die Leichen.

Um das zu verhindern, verhängte die Bundesregierung am 22. März 2020 den ersten Corona-Lockdown in Deutschland. Am 2. November 2020 folgte dann ein "Lockdown light". Doch da dieser die Infektionswelle nicht brechen konnte, trat nur wenige Wochen später ein weiterer harter Lockdown in Kraft. Schulen und Geschäfte wurden geschlossen, Veranstaltungen abgesagt und strenge Kontaktbeschränkungen, das sogenannte Social Distancing, beschlossen. Das öffentliche Leben kam weitgehend zum Erliegen.

Der erste Lockdown wurde von der Bevölkerung laut damaligen Umfragen noch weitgehend unterstützt - ein Hauptgrund dafür, dass die Maßnahme Wirkung zeigte. Innerhalb weniger Wochen sanken die Neuinfektionen drastisch. Es konnte wieder gelockert werden. Die Effektivität bestätigten auch mehrere Untersuchungen, darunter eine Studie in der Fachzeitschrift "Nature" vom Juni 2020. Darin kamen Forschende anhand von epidemiologischen Modellierungen zu dem Schluss, dass die schnellen Maßnahmen in Deutschland in der ersten Infektionswelle über eine halbe Million Menschen das Leben gerettet haben könnten.

Diese Studien stützten sich allerdings auf Daten, die in der Frühzeit der Pandemie gesammelt wurden, als sowohl die Strenge als auch die Wirksamkeit der Maßnahmen sehr hoch waren. Das änderte sich aber, je länger die Pandemie andauerte, sagen neuere Untersuchungen. So zeigt eine Studie von 2022, dass zu Beginn der Lockdowns die Maßnahmen die Sterblichkeit massiv reduzieren konnten. Aber: Auf längere Sicht gesehen hat die Wirkung nachgelassen, die Sterblichkeit mit Social Distancing nähert sich laut Simulation mit der Dauer der Pandemie der Sterblichkeit ohne Social Distancing an, schreibt Christian Neuwirth im Fachblatt "Scientific Reports". Das liege womöglich daran, dass die Bevölkerung über die Dauer der Lockdowns die Kontaktbeschränkungen irgendwann nicht mehr ganz so ernst genommen habe.

Was all die Studien nicht berücksichtigen: die negativen Effekte. Zum einen hatten die Lockdowns erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen, insbesondere auf den Einzelhandel, die Gastronomie und die Reisebranche. Zum anderen stiegen psychische Probleme angesichts der sozialen Isolation und Unsicherheit. So kamen zwar mehrere Studien zu dem Ergebnis, dass Schulschließungen zur Eindämmung der Infektionen beigetragen hätten. Unter den Folgen leiden allerdings die Schülerinnen und Schüler bis heute.

Maskenpflicht

Sie ist das sichtbarste Symbol der Corona-Pandemie: die Atemschutz-Maske. Den einen versprach sie Sicherheit im Bus, im Supermarkt oder im Kino, für andere war sie der Inbegriff einer vermeintlichen "Corona-Diktatur". Vor allem als das Tragen ab April 2020 bundesweit zur Pflicht wurde. Zu Beginn der Pandemie war selbst das Robert-Koch-Institut (RKI) skeptisch, wie viel eine Maskenpflicht tatsächlich bringt. Im OP-Saal hatten sich Masken zwar längst bewährt, doch ihre Wirksamkeit im Alltag war anfangs auch in Fachkreisen umstritten.

Doch schon bald stand fest: Masken schützen. SARS-CoV-2 wird in erster Linie über kleine Luftpartikel übertragen, sogenannte Aerosole. Deshalb ist es wichtig, sowohl deren Ausbreitung als auch deren Aufnahme beim Sprechen, Lachen, Husten zu unterbinden. So zeigten erste Laboranalysen, dass sich ohne Maske die Aerosole über mehrere Meter verteilen. Schon eine einfache OP-Maske reduzierte demnach die Reichweite der Tröpfchen deutlich.

In einer großen Metastudie untermauerte ein amerikanisches Wissenschaftsteam die Erkenntnisse zwei Jahre später noch einmal. Die Forschenden führten dazu eine Vielzahl spezifischer Studien zusammen und kamen zu dem Ergebnis: Masken haben die Verbreitung von Coronaviren eingeschränkt. Dabei haben sich die besonders gut filternden FFP2-Masken als wirksamstes Modell erwiesen, aber auch klassische OP-Masken konnten die Übertragung von Viren eindämmen.

Allerdings betonte das Forschungsteam auch, dass eine Vielzahl von Faktoren die Wirksamkeit beeinflussen kann: Wird die Maske konsequent getragen oder zwischendurch abgenommen, sitzt sie richtig, wird sie in regelmäßigen Abständen gewechselt - all diese Aspekte spielen eine Rolle. Masken, die zum Beispiel nur den Mund, nicht aber die Nase bedeckt haben, hatten einen deutlich geringeren Effekt.

Bis heute gilt: "Ein korrekt getragener Mund-Nase-Schutz kann in Phasen mit starker Viruszirkulation (Grippewelle, Covid-19-Welle, RSV-Erkrankungswelle) in Innenräumen ein zusätzlicher Schutz vor Infektion sein", betont das RKI im aktuellen ARE-Wochenbericht.

3G-Regel

Eine weitere umstrittene Maßnahme, um das Coronavirus einzudämmen, war die sogenannte 3G-Regel. 3G steht dabei für Geimpft, Genesen oder Getestet - und nur wer eins von den Dreien war, durfte ins Restaurant oder ins Kino, ins Pflegeheim, um die Großeltern zu besuchen, oder zu Sportveranstaltungen - und teilweise zur Arbeit. Die Regel wurde im Herbst 2021 eingeführt. Zu diesem Zeitpunkt waren zwar bereits mehr als zwei Drittel der deutschen Bevölkerung gegen Corona geimpft. Doch die Infektionszahlen stiegen unaufhaltsam weiter, viele Intensivstationen waren am Limit.

Deutschland stand im Herbst 2021 kurz vor einem weiteren Lockdown. Wer daran Schuld hatte, war für den damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn eindeutig: Er sprach immer wieder von einer "Pandemie der Umgeimpften". Die 3G-Regel sollte somit einerseits die Infektionswelle brechen, aber auch Druck auf ungeimpfte Menschen ausüben. Diese empfanden es jedoch als reine Schikane und nur die wenigsten ließen sich daraufhin impfen. Zudem hieß es aus Fachkreisen, dass die Gesamtbevölkerung zum Infektionsgeschehen beitrage - und nicht nur Ungeimpfte, wie Spahn fälschlicherweise behauptet hatte.

Stiefmütterliche Pandemie-Aufarbeitung

Inwieweit die 3G-Regel allein die Ausbreitung des Coronavirus einschränken konnte, dazu gibt es bislang keine aussagekräftigen Studien. Das RKI hatte sich aber in seiner großen "StopptCovid"-Studie von 2023 alle Maßnahmen angeschaut, darunter auch die Testpflicht, und kam zu dem Ergebnis: Die eingeführten Maßnahmenbündel waren tatsächlich wirksam. Entscheidend sei, dass einzelne Maßnahmen "nur im Kontext der parallel bestehenden anderen Maßnahmen bewertet werden". Weil eben fast nie bestimmte Maßnahmen wie eine Testpflicht am Arbeitsplatz völlig unabhängig von anderen Maßnahmen, etwa einer Maskenpflicht in Bus und Bahn, eingeführt wurden oder galten.

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Das macht die Erforschung der Pandemie-Maßnahmen den RKI-Experten zufolge besonders schwierig. "Es ist oftmals schwer zu sagen, welcher Anteil auf eine einzelne Maßnahme zurückgeht", sagte auch Berit Lange, klinische Epidemiologin am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) nachdem die RKI-Studie erschienen war. Die Wissenschaftlerin fordert wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen weitere Studien zu den Maßnahmen.

Wirklich zufrieden mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Pandemie scheint auch fünf Jahre nach dem ersten Corona-Fall in Deutschland kaum ein Experte zu sein. Erst vor Kurzem forderte Charité-Virologe Christian Drosten eine Aufstellung, wie zu welchem Zeitpunkt die Datenlage war, um die Maßnahmen besser beurteilen zu können. Der stiefmütterliche Umgang damit zeigte sich bereits 2022 und setzt sich offenbar bis heute fort. 99 Prozent der rund 4000 Studien, die man in der Covid-Evidenz-Datenbank finde, untersuchten den Nutzen von Medikamenten oder Impfstoffen, sagte der Public Health-Experte Ansgar Gerhardus von der Uni Bremen damals der SZ. Nur ein Prozent habe analysiert, wie Masken oder Kontaktbeschränkungen wirkten.

Quelle: ntv.de

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