Die 25.000-Euro-Frage Das spricht jetzt für den britischen Aktienmarkt
11.06.2024, 11:27 Uhr Artikel anhören
Der FTSE 100, der die 100 größten in London notierten Aktiengesellschaften umfasst, kommt gerade einmal auf ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von zwölf.
(Foto: picture alliance / Philip Toscan)
Die Anleger fokussieren vor allem die Wall Street und dort schwerpunktmäßig Technologietitel. Jetzt könnte die Zeit für Rohstoffaktien gekommen sein. Das und weitere Gründe sprechen dafür, nun in London statt in New York zu investieren.
In den vergangenen Monaten haben die Magnificent 7, also die großen amerikanischen Technologiewerte Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla den amerikanischen Standardwerte-Index S&P 500 auf immer neue Höchststände getrieben. Doch jetzt könnte es eine Wachablösung geben. Die London Stock Exchange (LSE) hat gute Chancen, der Wall Street in New York den Rang abzulaufen.

Michael Wittek leitet das Portfoliomanagement beim unabhängigen Vermögensverwalter Albrecht, Kitta & Co. in Hamburg und ist hier für die Anlagestrategie verantwortlich.
Dafür spricht erst einmal die günstige Bewertung. Der FTSE 100, der die 100 größten in London notierten Aktiengesellschaften umfasst, kommt gerade einmal auf ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von zwölf. Weltweit werden Aktien im Durchschnitt dagegen mit dem 17-Fachen des erwarteten Gewinns bewertet. Der amerikanische Aktienmarkt kommt gemessen am S&P 500, also den 500 größten an der New York Stock Exchange gelisteten Unternehmen, sogar auf ein KGV von 21.
Allerdings war die Londoner Börse in der Vergangenheit meistens günstig bewertet. Es gibt aber weitere Gründe, die dort in den kommenden Monaten steigende Kurse erwarten lassen. Ein erster Trigger ist, dass Rohstoffaktien an der Londoner Börse vergleichsweise hoch gewichtet sind. Aktien wie Rio Tinto oder Glencore kommen je nach Index auf einen Anteil von 25 bis 30 Prozent. Zwar befinden sich deren Rohstoffvorkommen nicht in Großbritannien, sie sind dort aber börsennotiert. In den USA bringen Rohstoffaktien gerade einmal sechs Prozent auf die Waage.
Stark gestiegene Rohstoffreise
Der S&P 500 hat seit Jahresbeginn rund zwölf Prozent zugelegt. Damit ist die Wall Street wieder einmal besser gelaufen als die meisten anderen Aktienbörsen. Der Kupferpreis hat sich aber mit einem Plus von rund 17 Prozent noch deutlich mehr verteuert. Das Industriemetall profitiert von der Energiewende. Vor allem Windkraftparks auf dem Meer und Elektroautos brauchen viel mehr Kupfer als entsprechende Gaskraftwerke oder PKW mit Verbrennermotor. Vereinfacht ausgedrückt gibt es ohne Kupfer keine Energiewende.
Da die Minenkonzerne in den vergangenen Jahren zu wenig in die Suche und Erschließung neuer Lagerstätten investiert haben, versuchen sie jetzt durch Akquisitionen ihre Vorkommen aufzustocken. Allein von Januar bis Mai gab es an der Londoner Börse Übernahmeangebote für Rohstoffkonzerne in Höhe von insgesamt 60 Milliarden britischen Pfund und damit deutlich mehr als im gesamten Vorjahr.
Dabei belief sich der durchschnittlich gebotene Preisaufschlag auf rund 30 Prozent. Allein die BHP Group wollte für 37 Milliarden Pfund Anglo American schlucken. Allerdings kam dieser Deal bislang nicht zustande. Dennoch unterstreicht dies die derzeitige Attraktivität des Sektors.
Edelmetalle mit Unterstützung
Gleichzeitig unterstützt die strukturell höhere Inflation die Nachfrage nach Edelmetallen. Gold ist seit Jahresanfang in etwa so stark gestiegen wie der S&P 500, Silber sogar doppelt so stark. Seit fast einem Jahr steht in den USA bei der Inflationsrate eine drei vor dem Komma. Die amerikanische Notenbank Fed ist weiterhin meilenweit von ihrem Inflationsziel von zwei Prozent entfernt. Im Euroraum ist die Geldentwertung im Mai sogar wieder von 2,4 auf 2,6 Prozent angestiegen. Edelmetalle, allen voran Gold und Silber, gelten traditionell als der Inflationsschutz schlechthin.
Eine höhere Inflation bedeutet auch immer höhere Zinsen. Denn sie sind nichts anderes als der Preis für geliehenes Geld. Nach den langen Jahren extrem niedriger Zinsen nach der Finanzkrise 2008, hat sich das Niveau wieder normalisiert. Das gibt den Banken Auftrieb, die bei höheren Zinsen mehr Geld verdienen. Neben Rohstoffaktien ist auch der Finanzsektor an der Londoner Börse vergleichsweise hoch gewichtet. Damit steht es zwei zu null für die LSE.
Schließlich deutet einiges darauf hin, dass sich in Großbritannien der Binnenkonsum wieder erholt. Die Stimmung der britischen Verbraucher war 2021 vor allem durch die gestiegenen Wohnkosten und die insgesamt damals galoppierende Inflation regelrecht eingebrochen, sogar stärker als während der Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009 oder der Corona-Pandemie Anfang der 20er Jahre. Jetzt hat sich die Stimmung der Konsumenten im britischen Königreich aber genauso schnell wieder verbessert. Der Grund ist, dass die Löhne zuletzt stärker zugelegt haben als die Inflation. Die britischen Verbraucher haben also real mehr Geld in der Tasche.
Die 25.000-Euro-Frage
Je nach Risikoprofil sollten Anleger mit einem liquiden Vermögen von beispielsweise 25.000 Euro etwa 40 bis 60 Prozent in Aktien anlegen. Daran sollte der britische Aktienmarkt aus den genannten Gründen einen spürbaren Anteil haben. Gold sollte als Schutz gegen Risiken wie Inflation oder auch geopolitische Konflikte mit fünf bis zehn Prozent gewichtet werden. Außerdem sollten circa zehn Prozent in Barmitteln gehalten werden, um bei fallenden Aktien- oder Goldkursen günstiger nachkaufen zu können. Der Rest des Kapitals sollte auf Anleihen zuverlässiger Schuldner entfallen.
Über den Autor: Michael Wittek leitet das Portfoliomanagement beim unabhängigen Vermögensverwalter Albrecht, Kitta & Co. in Hamburg und ist hier für die Anlegestrategie verantwortlich.
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Quelle: ntv.de