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Übertragung von Krankheiten Menschen stecken Tiere öfter an als umgekehrt

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Auch Menschen können Krankheitserreger auf Tiere übertragen.

Auch Menschen können Krankheitserreger auf Tiere übertragen.

(Foto: IMAGO/Westend61)

Masern, Pocken, Grippe - ein Großteil der Erreger dieser Infektionskrankheiten stammt ursprünglich aus dem Tierreich. Doch auch Menschen geben Krankheitserreger an Tiere weiter. Das passiert sogar wesentlich öfter als gedacht, wie eine Studie beweist.

Nicht erst seit Corona sind von Tieren auf den Menschen übertragene Erreger ein großes Thema. Solche Übertragungen gebe es aber auch umgekehrt - und zwar in weit höherem Ausmaß, berichtet ein Forschungsteam im Fachjournal "Nature Ecology & Evolution". Menschen geben demnach mehr Viren an Haus- und Wildtiere weiter, als sie sich bei ihnen einfangen.

Die meisten neu auftretenden Infektionskrankheiten beim Menschen werden durch Viren verursacht, die von Tieren überspringen. Dieser als Spillover bekannte Prozess kann heftige Krankheitsausbrüche, Epidemien oder gar Pandemien zur Folge haben. Ebola, Grippe und Covid-19 sind drei der bekanntesten Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit, auch Masern und Pocken sind solche sogenannten Zoonosen. Faktoren wie die zunehmende Bevölkerungsdichte und das Vordringen des Menschen in immer mehr Naturrefugien erhöhen das Risiko für solche Übertragungen.

Analyse von zwölf Millionen Erbgutsequenzen

Wenig Beachtung wurde den Forschenden zufolge bisher der Tatsache zuteil, dass es auch zu Übertragungen vom Menschen auf Tiere kommt. Die Gruppe um Cedric Tan vom University College London (UCL) bezog fast zwölf Millionen virale Erbgutsequenzen ein, um zu rekonstruieren, welche Viren von einem Wirt auf eine andere Wirbeltierart übersprangen.

Den Ergebnissen zufolge gab es etwa doppelt so viele Sprünge vom Menschen auf Tiere (Anthroponose genannt) wie vom Tier zum Menschen: Von den 599 identifizierten Wirtssprüngen wurden 64 Prozent als anthroponotisch gewertet. Zum Beispiel seien SARS-CoV-2 und Influenza A mehrfach auf Nutztiere oder in Gefangenschaft lebende Wildtiere übertragen worden. Häufig nachzuweisen waren zudem Wirtssprünge von Tier zu Tier.

"Wir sollten den Menschen nur als einen Knotenpunkt in einem riesigen Netzwerk von Wirten betrachten, die endlos Krankheitserreger austauschen, und nicht als eine Senke für zoonotische Erreger", erklärte UCL-Mitautor Francois Balloux.

Die Übertragung vom Menschen auf eine Tierart bedeute ein mögliches Risiko für den Erhalt dieser Spezies, heißt es in der Studie. "Zum Beispiel hat das vom Menschen übertragene Metapneumovirus tödliche Ausbrüche von Atemwegserkrankungen bei Schimpansen in Gefangenschaft verursacht." Ein solcher Spillover könne sich auch auf die Lebensmittelsicherheit auswirken - etwa, wenn viele Tiere getötet werden müssten, um die weitere Ausbreitung einzudämmen.

Anpassung der Viren führt zu mehr Wirtssprüngen

Die Analyse des Teams zeigt auch, dass die Wirtssprünge im Mittel mit einer Zunahme der genetischen Veränderungen im Virus einhergehen, verglichen mit seiner fortgesetzten Evolution im ursprünglichen Wirtstier. Das belege, dass Viren sich anpassen müssen, um neue Wirte gut nutzen zu können.

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Bei Viren, bereits viele Tierarten infizieren, seien die Veränderungen bei einem neuen Sprung geringer - ein Virus mit breitem Wirtsspektrum verfüge wohl schon über viele der für eine Anpassung nötigen Eigenschaften.

Einschränkend gibt das Team zu bedenken, dass sich das Gesamtbild noch deutlich ändern könne, wenn das Erbgut von wesentlich mehr Viren erfasst sei. Die bisherigen Sequenzen gäben nur einen winzigen Bruchteil der existierenden Wirbeltier-Viren wider. Vor allem das Ausmaß der Sprünge zwischen Tierarten werde sicher noch weit unterschätzt, da der Fokus der Virusüberwachung auf jenen Erregern liege, die den Menschen betreffen. Diesen Blick zu weiten, könne womöglich auch helfen, in der Zukunft drohende Pandemien zu verhindern.

Quelle: ntv.de, Annett Stein, dpa

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