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Auf Tschuri zur Sonne Philae überlebt dank Pannenlandung

Anders als geplant, war Philae an einem schattigen und kühlen Platz auf dem Kometen aufgekommen. Nun profitiert er davon.

Anders als geplant, war Philae an einem schattigen und kühlen Platz auf dem Kometen aufgekommen. Nun profitiert er davon.

(Foto: picture alliance / dpa)

Komet Tschuri wird immer aktiver, Rosetta fotografiert aus der Ferne gewaltige Gasausbrüche. Wie ergeht es derweil Philae auf dem Rücken des Kometen? n-tv.de fragt Dr. Koen Geurts, den Technischen Leiter für Philae am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Er erzählt vom Glück im Unglück, vom Rand des Möglichen und dem Ende Rosettas.

n-tv.de: Herr Geurts, bevor Philae auf Tschuri landete, hieß es immer, der Lander werde die Hitze nicht überleben, wenn der Komet der Sonne nah ist. Doch Philae ist noch immer intakt. Wie kommt das?

Koen Geurts: Das liegt daran, dass Philae nicht dort gelandet ist, wo er hätte landen sollen. Am ursprünglich geplanten Landeplatz hätte Philae jeden Tag viel mehr Sonnenlicht abbekommen. Und das hätte dazu geführt, dass er viel früher überhitzt wäre. Dort, wo er nun steht, bekommt Philae nur drei bis vier Stunden Sonnenlicht am Tag. Da ist die Hitze kein Problem mehr.

So hat es also auch sein Gutes, dass die Landung nicht so geklappt hat wie vorgesehen.

(lacht) Richtig! Genau!

Wie hoch sind denn die Temperaturen, denen Philae jetzt ausgesetzt ist?

Genau wissen wir das nicht, weil wir seit einigen Wochen keinen Kontakt hatten zu dem Lander. Der letzte Kontakt war am 9. Juli 2015. Da war es im Innern des Landeroboters etwa 18 bis 20 Grad Celsius warm. Sehr angenehm. Philae ist so gebaut worden, dass seine inneren Komponenten eine Temperatur von 50 Grad Celsius locker überstehen. Wir gehen nicht davon aus, dass diese Temperatur jetzt erreicht wird. Aber ob es nun 35 oder 45 Grad werden, können wir nicht vorhersagen.

Was macht den Funkverkehr mit Philae gerade so schwierig?

Gute Frage! Eines ist klar: Wir bewegen uns am Rand des Möglichen. Die Funkverbindung läuft über die Sonde Rosetta und ist für einen bestimmten Abstand der Sonde zum Kometen ausgelegt. Bei der Entwicklung und beim Bau von Philae hat man nicht damit gerechnet, dass man jetzt, im August, noch zu ihm in Kontakt stehen würde. Man ging ja davon aus, dass er bereits überhitzt wäre. Dass Rosetta jetzt einen Abstand von 340 Kilometern zum Kometen hat, war vorhersehbar. Es war aber nicht vorhersehbar, dass Philae dann noch kommunizieren möchte. Das also ist ein Faktor.

Gibt es noch andere Faktoren, die den Kontakt zu Philae stören könnten?

Ein weiterer könnte die Aktivität des Kometen sein. Philaes Umgebung ist zurzeit voll mit Staub. Das stört die Qualität des Radiosignals. Außerdem haben wir gesehen, dass einer von Philaes Empfängern (er hat zwei) ein Problem hat, er funktioniert nicht. Auch die Sender funktionieren nicht so, wie wir es erwartet hatten. Das könnte an den niedrigen Temperaturen liegen, denen Philae von Januar bis März ausgesetzt war. Es kann sein, dass die Hardware etwas abbekommen hat.

Wenn Philae die Kommunikation wieder aufnehmen sollte, mit welchen Daten ist dann zu rechnen?

Wir haben mehrmals blind Kommandos geschickt und verschiedene Instrumente angesteuert. Der Kamera haben wir gesagt, dass sie ein paar Fotos machen soll. Das Magnetfeld ist gemessen worden, ebenso die Umgebungstemperatur. Das Gas, das Tschuri abgibt, wird analysiert. Und die Anzahl an umherfliegenden Staubpartikeln wird bestimmt – sofern die Kommandos richtig angekommen sind. In diesem Fall sind die Daten jetzt gespeichert und werden übermittelt, sobald der Kontakt gut ist.

Warum ist die aktuelle Phase, die Annährung Tschuris an die Sonne, so besonders spannend?

Der Komet wird immer aktiver, man sieht immer mehr der typischen Kometen-Phänomene: die Jets, die Gase und Staubteilchen also, die Tschuri fortschleudert. Das ist sehr aufregend.

Tschuri verliert dabei an Masse. Wie lange wird es den Kometen noch geben?

Das kann ich nicht genau vorhersagen. Aber seine Umlaufbahn um die Sonne dauert 6,7 Jahre. Und man geht nicht davon aus, dass der Komet beim aktuellen Umlauf komplett zerbricht. Dafür ist sein Abstand von der Sonne zu groß. Wahrscheinlich wird er noch einige Jahrzehnte auf seiner Bahn weiterfliegen.

Wie lange reisen Philae und Rosetta noch mit?

Philae wird auf dem Kometen stehen bleiben. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass er durch die Jets irgendwann weggeblasen wird. Rosetta begleitet den Kometen bis Juni 2016. Bis dahin macht sie ständig Messungen. Dann aber ist der Zeitpunkt erreicht, wo der Komet wieder so weit weg von der Sonne ist, dass Rosetta in den Winterschlaf befördert werden müsste. Aus missionstechnischen Gründen lohnt sich das aber nicht. Daher wird Rosetta ab April 2016 immer näher an Tschuri heranfliegen, bis sie schließlich auf ihn prallt. Das ist dann das Ende von Rosetta – und Philae.

Mit Koen Geurts sprach Andrea Schorsch

Quelle: ntv.de

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