Anleihen, Gold und Öl Die Anlage-Favoriten für 2022
26.12.2021, 06:50 Uhr
Wie immer ist auch 2022 die richtige Mischung gefragt ...
(Foto: picture alliance / dpa)
Negativ-Zinsen und kein Ende: Anleihen lieferten auch 2021 nach Abzug der Inflation überwiegend Verluste. Gold hat auch nicht wirklich überzeugt. Nur Öl hat – zumindest den Investoren - 2021 Freude gemacht. ntv.de hat drei Experten gefragt, wie es im neuen Jahr weitergeht.
ntv.de: Hand aufs Herz: Wie hoch ist der Anteil von Anleihen bei Ihren Kunden noch in den Depots, Herr Pfingsten?

Reinhard Pfingsten arbeitet bei der Bethmann Bank als Chief Investment Officer und ist Mitglied im Management Team des globalen Investment Centers der ABN Amro Gruppe.
Reinhard Pfingsten: Mit einer einfachen Zahl lässt sich die Frage nicht beantworten, da unsere Kunden unterschiedliche Risikoprofile haben. Doch eines lässt sich klar sagen: In allen Risikoprofilen steuern wir die Anleihenquote weit unterhalb der strategisch vereinbarten Neutralquote.
Und wie schaut es bei Ihnen aus, Herr Hermann?
Marco Herrmann: Wir sind immer noch mit gut einem Drittel in Anleihen investiert. Nicht jeder Kunde bringt die Risikotoleranz für 100 Prozent Aktien mit und Anleihen tragen auch bei niedrigen Zinsen immer noch zur Risikoreduzierung bei.
Herr Wittek?

Michael Wittek ist Portfoliomanager bei Albrecht, Kitta & Co. Vermögensverwaltung und ist für die Anlagestrategie der Vermögensverwaltung verantwortlich.
Michael Wittek: Im Durchschnitt beträgt der Anteil circa 25 Prozent, mit einem Schwerpunkt auf Unternehmensanleihen.
Haben Sie bei den Papieren das Risiko erhöht, um mindestens noch eine Minirendite zu erzielen?
Pfingsten: Ganz klar ja. Das Segment der Staatsanleihen höchster Bonität wurde stark reduziert. Im Gegenzug haben wir zumindest teilweise Teilanlageklassen mit niedrigerer Bonität ausgebaut. So investieren wir auch in Unternehmensanleihen, Schwellenländeranleihen und Hochzinsanleihen.
Wittek: Seit einiger Zeit sind wir in chinesischen Staatsanleihen investiert und wollen diese auch längerfristig halten. Zwar hat man hier ein Währungsrisiko, jedoch bekommt der Anleger hierfür eine Verzinnung von circa drei Prozent pro Jahr bei einer guten Bonität. Auch europäische Nachranganleihen liefen zuletzt sehr gut. Die Anleihenseite ist somit nicht gänzlich uninteressant.

Marco Herrmann ist seit 1992 für renommierte Banken und Fondsgesellschaften tätig. Seit 2010 verantwortet er als Geschäftsführer die Anlagestrategie der FIDUKA.
(Foto: Thomas Niedermueller / niedermueller.de)
Herrmann: Anlegern sollte bewusst sein, dass mit schwächerer Bonität auch die Korrelation zum Aktienmarkt steigt und die Diversifikation nicht so hoch ist, wie auf den ersten Blick zu vermuten ist. Deshalb sollte man auch - zumindest temporär - einen Teil in liquiden Staatsanleihen halten, auch wenn deren Renditen bei null und darunter liegen.
Wenn die amerikanische Notenbank Fed wie angekündigt bis zum Frühjahr ihre Anleihekäufe beendet, sinkt die Nachfrage, die Kurse müssten eigentlich fallen und die Zinsen steigen. Liegt hier ein Denkfehler vor?
Herrmann: Die Notenbanken sind nicht die einzigen Käufer mit tiefen Taschen am Markt. Generell ist sehr viel Liquidität vorhanden - aber auch wir gehen von leicht steigenden Renditen bei längeren Laufzeiten aus.
Wittek: Mir ist die Rechnung zu einfach. Käme es zu externen Schocks, würden die US-Staatsanleihen als Hort der Sicherheit sehr gefragt sein. Die Kurse würden also steigen.
Können Sie Anlegern eigentlich noch ernsthaft raten, in Anleihen zu investieren? Das gilt ja auch für die beliebten Mischfonds, die immer einen Teil ihres Vermögens in Renten anlegen.
Pfingsten: Argumente wie Verzinsung, Ausschüttung oder Diversifikationseffekte greifen nicht mehr. Insofern suchen wir immer auch nach Alternativen für Rentenanlagen und haben diese 2021 erstmals in unserer klassischen Vermögensverwaltung aufgenommen.
Herrmann: Das ist alles eine Frage der Risikotoleranz. Mischfonds weisen eben auch geringere Schwankungen als reine Aktienfonds auf. Zudem ist bei Anlegern nicht jede Entscheidung rein ertragsorientiert.
Viele Vermögensverwalter raten, so zwischen fünf und zehn Prozent des verfügbaren Gelds in Gold zu investieren. In diesem Jahr war das kein guter Tipp.
Hermann: Im Wesentlichen erklären drei Gründe die maue Performance:
Erstens haben sich Kryptowährungen zur ernsthaften Konkurrenz entwickelt. Ihr Marktwert entspricht mittlerweile rund 30 Prozent des weltweiten Goldbestands. Außerdem haben die Notenbanken 2021 unterm Strich verkauft. Und drittens gab es Zinserhöhungserwartungen in den USA und damit verbunden einen stärkeren US-Dollar. Wenn der fest notiert, gerät Gold meistens unter Druck.
Wittek: Genau, daher stimmt die Aussage zur Performance nur eingeschränkt, nämlich beim Goldpreis in US-Dollar. Europäische Investoren haben dieses Jahr sicherlich etwas Glück gehabt, da der Goldpreis in Euro aufgrund des starken US-Dollars positiv ist.
Angesichts von Inflationsraten von fünf oder sechs Prozent müsste sich Gold doch eigentlich viel besser entwickeln. Was läuft da schief?
Pfingsten: Für das Jahr 2022 beurteilen wir die Perspektiven für Gold kritisch. Angesichts eines steigenden Zins- und Renditeniveaus dürfte die Nachfrage nach dem Edelmetall tendenziell sinken. Und die in der Frage genannte These ist an sich schon ein Irrglaube. Empirisch lässt sich zwischen Inflation und Gold kein Zusammenhang feststellen.
Wittek: Generell ist die Betrachtung eines Jahres beim Goldpreis nicht zielführend. Über mehrere Jahrzehnte konnte Gold mit einer Rendite von circa sechs Prozent pro Jahr dauerhaft die Inflation schlagen. Wir erwarten, dass dies auch in Zukunft gelten wird.
Sind Kryptowährungen wie Bitcoin gewissermaßen eine moderne Alternative zu Gold? Die beiden Anlagen haben ja ein paar wichtige Gemeinsamkeiten.
Herrmann: Kryptowährungen sind vor allem (noch) in vielen Ländern anonym erwerbbar, ohne Hindernisse grenzüberschreitend weltweit verfügbar und außerdem schwieriger für den Staat aufzuspüren. Stellen Sie sich vor, Sie leben in der Türkei und möchten Ihr Vermögen nicht in Lira und für den Staat sichtbar auf einem Euro-Konto parken. Mit Kryptoassets haben Sie neben Gold eine neue Alternative.
Pfingsten: Ich sehe das etwas anders. Gold bietet eine wichtige Funktion als Wertaufbewahrungsmittel. Diese Funktion wollen wir den Kryptowährungen heute noch nicht beimessen. Der Bitcoin-Markt weist außerdem beträchtliche spekulative Elemente auf, ist von einem nicht mit Gold vergleichbaren Volatilitätsniveau geprägt und bleibt von äußeren Einflüssen wie Maßnahmen von Regierungen oder Äußerungen einzelner Marktteilnehmer stark beeinflusst.
Kommen wir zum Öl. Zumindest hier haben Anleger in diesem Jahr sehr gut verdienen können. Ist jetzt die Luft raus oder sehen wir 2022 noch höhere Notierungen?
Wittek: Wir sehen hier noch Luft nach oben. Aktuell liegt beim Öl ein struktureller Nachfrageüberhang vor - unter anderem dadurch, dass die US-Fracking-Industrie längst nicht auf dem Niveau wie vor Corona fördert. Gut möglich, dass wir beim Öl 2022 die 100 US-Dollar überschreiten. Aber Öl ist immer für eine Überraschung gut.
Weltweit propagieren die Regierungen den Kampf gegen die Klimaerwärmung. Trotzdem steigt die weltweite Nachfrage nach Öl von Jahr zu Jahr, wenn es nicht gerade coronabedingte Lockdowns gibt. Ab wann ist ein Rückgang der Nachfrage zu erwarten?
Herrmann: Bis durch Einsparungen die globale Ölnachfrage sinkt, wird es sicherlich noch zehn Jahre oder länger dauern. Man darf nicht vergessen, die am schnellsten wachsenden Schwellenländer werden die letzten sein, bei denen die Nachfrage sinkt.
Pfingsten: Parallel zur Inflationsentwicklung gehen wir beim Ölpreis davon aus, dass er im vierten Quartal 2021 seinen Höhepunkt gesehen hat. Investitionen in die Ölförderung dürften zu einem höheren Angebot führen. Insbesondere die USA produzieren aktuell noch nicht auf Vorkrisenniveau. Gleichzeitig wird sich das Wirtschaftswachstum langsamer normalisieren als ursprünglich erwartet. Wir prognostizieren zum Jahresende 2022 einen Ölpreis von 70 US-Dollar für die Sorte Brent.
Wo können Anleger im kommenden Jahr noch Geld verdienen, wenn ihnen Aktien zu riskant sind?
Wittek: Ganz ohne Aktien ist eine schlechte Wahl. Bei Alternativen ist Vorsicht geboten. Denn oft stehen zwar andere Namen drauf, beinhalten jedoch ebenfalls ein Aktienrisiko. Wir finden Wandelanleihen interessant. Die Schwankungen sind hier deutlich reduzierter, aber entziehen können sie sich den allgemeinen Marktschwankungen nicht.
Herrmann: Im Anleihenmarkt gibt es nur noch wenige Unternehmensanleihen, die sich lohnen. Ein bis zwei Prozent vor Inflation und Steuern sind drin, mehr aber auch nicht. Wir sehen Nachholpotenzial beim Gold, ein Großteil der erwarteten US-Zinserhöhungen sollte eingepreist sein. Auch andere Rohstoffe, die zuletzt kräftig korrigiert haben, könnten wieder steigen. Interessant bleiben auch Mikrofinanzfonds, die dank ihrer kurzen Forderungslaufzeiten ein geringeres Zinsänderungsrisiko besitzen.
Pfingsten: Zuletzt haben wir, wie bereits gesagt, alternative Anlagestrategien mit ins Depot genommen, die über einen "Relative Value"-Ansatz Renditen generieren. Des Weiteren sehen wir Private Assets wie Private Equity, Infrastruktur, Immobilien und Private Debt als Ergänzung zu den traditionellen Anlageklassen.
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Quelle: ntv.de