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"Größte Gefahr des Klimawandels" Schneeschwund bedroht Wasserspeicher

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Der Verlust von Schneedecken bedeutet möglicherweise weniger Schmelzwasser im Frühjahr für Flüsse, Bäche und Böden flussabwärts, wenn Ökosysteme und Menschen Wasser benötigen, warnen die Forscher.

Der Verlust von Schneedecken bedeutet möglicherweise weniger Schmelzwasser im Frühjahr für Flüsse, Bäche und Böden flussabwärts, wenn Ökosysteme und Menschen Wasser benötigen, warnen die Forscher.

(Foto: picture alliance / imageBROKER)

Schnee und Erderwärmung passen eigentlich nicht zusammen. Auch Klimamodelle liefern beim Thema Schneefall oft widersprüchliche Ergebnisse. Eine US-Studie erklärt, wie es wirklich um die Schneedecken bestellt ist und welche Folgen deren Verschwinden hat.

Wenn es um den Klimawandel geht, ist kaum etwas so irreführend wie der Schneefall. Gewaltige Schneestürme begruben Anfang 2023 ganze Teile kalifornischer Bergregionen unter sich, während viele andere Regionen im Südwesten der USA seit Jahren Schneedürren beklagen. Wissenschaftler haben diese widersprüchlichen Beobachtungen nun untersucht und festgestellt: Der Schnee schwindet tatsächlich. Die meisten saisonalen Schneedecken der nördlichen Hemisphäre sind demnach in den letzten 40 Jahren erheblich geschrumpft. Schuld daran sei der menschengemachte Klimawandel. Laut der im Fachjournal "Nature" veröffentlichten US-Studie trifft es den Südwesten und Nordosten Amerikas sowie Mittel- und Osteuropa am stärksten - mit schwerwiegenden Folgen für die Wasserversorgung weiter Gebiete.

Bislang konnten wissenschaftliche Daten aus Satelliten, Klimamodellen und Bodenbeobachtungen aufgrund der widersprüchlichen Beobachtungen nicht eindeutig belegen, ob der Klimawandel zu einem konsequenten Abbau der Schneedecken in den Hochgebirgen führt. "Schnee ist mit Unsicherheiten behaftet, die die Auswirkungen der globalen Erwärmung verschleiert haben", sagt Geograf Justin Mankin, Hauptautor der Studie. Die Menschen gingen davon aus, dass Schnee leicht zu messen sei, dass er mit der Erwärmung einfach abnehme und dass sein Verlust überall die gleichen Auswirkungen habe. "Nichts von alledem ist der Fall", so der Forscher.

"Schneebeobachtungen sind auf den regionalen Skalen sehr schwierig", erklärt Mankin. "Schnee reagiert sehr empfindlich auf winterliche Temperatur- und Niederschlagsschwankungen, und die Risiken des Schneeverlusts sind in Neuengland nicht dieselben wie im Südwesten oder in einem Dorf in den Alpen nicht dieselben wie im asiatischen Hochgebirge." Dokumentierte Rückgänge von Schneedecken seien daher aufgrund der Unsicherheit der Beobachtungen und der natürlichen Klimaschwankungen weitgehend uneinheitlich.

Die Studie soll nun zeigen, wie der Klimawandel die Schneedecken in 169 Flusseinzugsgebieten in der nördlichen Hemisphäre von 1981 bis 2020 beeinflusst. Dazu programmierten die Wissenschaftler ein maschinelles Lernmodell, mit dessen Hilfe sie Tausende Ergebnisse von Klimamodellexperimenten zu Schneedecken-, Temperatur- und Niederschlagsdaten untersuchten. Auf diese Weise konnten sie Schneedeckenverluste ausfindig machen und zugleich Unsicherheiten bisheriger Modelle aufzeigen.

Die Forscher fanden heraus, dass 80 Prozent der Schneedecken der nördlichen Hemisphäre nur minimale Verluste erlitten. In einigen Teilen Alaskas, Kanadas und Zentralasiens vergrößerten sich die Schneeflächen aufgrund durch den Klimawandel verstärkter Niederschläge sogar. Dennoch seien 20 Prozent der verbleibenden Schneedecke erheblich geschrumpft. Laut der Studie bringen das Ausmaß und die Geschwindigkeit dieser Verluste Hunderte von Millionen Menschen in Nordamerika, Europa und Asien, die für ihre Wasserversorgung auf Schnee angewiesen sind, an den Rand einer Krise.

"Dann ist es zu spät"

"Wir waren vor allem darüber besorgt, wie sich die Erderwärmung auf die im Schnee gespeicherte Wassermenge auswirkt. Der Verlust dieses Wasserspeichers ist das unmittelbarste und größte Risiko, das der Klimawandel für die Gesellschaft darstellt, da die Schneefälle und -akkumulationen abnehmen", sagte Alexander Gottlieb, Doktorand im Graduiertenprogramm Ökologie, Evolution, Umwelt und Gesellschaft in Dartmouth. "Unsere Arbeit identifiziert die Wassereinzugsgebiete, in denen es in der Vergangenheit zu Schneeverlusten gekommen ist und die bei einer weiteren Erwärmung am stärksten von einem raschen Rückgang der Schneedecke bedroht sein werden", erklärt der Wissenschaftler. Für Regionen wie den Südwesten und den Nordosten der Vereinigten Staaten sei der Zug bereits abgefahren.

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"Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts erwarten wir, dass diese Regionen Ende März nahezu schneefrei sein werden. Bislang sind wir nicht besonders gut auf die drohende Wasserknappheit vorbereitet", so Gottlieb. Viele vom Schnee abhängige Wassereinzugsgebiete befinden sich laut Studie inzwischen gefährlich nahe an einem Temperaturschwellenwert, der sogenannten "Schneeverlustklippe". Das bedeutet, dass bei einem Anstieg der durchschnittlichen Wintertemperaturen über minus 8 Grad Celsius der Schneeverlust selbst bei nur geringen Erhöhungen der lokalen Durchschnittstemperaturen zunimmt. Viele stark besiedelte Wassereinzugsgebiete, die für die Wasserversorgung auf Schnee angewiesen sind, werden in den nächsten Jahrzehnten immer mehr Schnee verlieren, so Mankin.

"Wir können nicht warten, bis alle Beobachtungen zum Schneeverlust übereinstimmen. Dann ist es zu spät", warnen die Wissenschaftler abschließend. "Wenn ein Einzugsgebiet erst einmal von dieser Klippe gestürzt ist, geht es nicht mehr darum, einen kurzfristigen Notfall bis zum nächsten großen Schnee zu bewältigen." Stattdessen müsse man sich bereits jetzt auf die drohende Wasserknappheit einstellen.

Quelle: ntv.de, lno

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