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Anleihen, Gold, Öl, Krypto Die Anlage-Favoriten für 2023

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Wie immer ist auch 2023 die richtige Mischung gefragt ...

(Foto: picture alliance / dpa)

2022 war nicht nur für Aktien ein schwieriges Jahr. Aufgrund der gestiegenen Zinsen kamen auch die Kurse von Anleihen mächtig unter die Räder. Gold und vor allem Öl entwickelten sich deutlich besser. Geht das so weiter oder kommt es zu einem Favoritenwechsel? ntv.de hat drei Experten gefragt.

ntv.de: Haben Sie Anfang 2022 tatsächlich erwartet, dass die Inflation in den USA in der Spitze auf mehr als neun und in Europa sogar auf fast elf Prozent steigt?

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Marco Herrmann ist seit 1992 für renommierte Banken und Fondsgesellschaften tätig. Seit 2010 verantwortet er als Geschäftsführer die Anlagestrategie der FIDUKA.

(Foto: Thomas Niedermueller / niedermueller.de)

Marco Herrmann: Zum Jahreswechsel war der Ukraine-Krieg noch unvorstellbar, hat dann aber alle Prognosen innerhalb eines Tages zu Makulatur gemacht. Doch auch ohne Krieg wäre die Inflation höher als erwartet ausgefallen, nur eben nicht auf solche Höhe geklettert.

Reinhard Pfingsten: Wir hatten zwar im Zuge der Öffnung nach den Corona-Restriktionen und der anhaltenden Lieferkettenprobleme mit einem Anziehen der Inflation gerechnet. Aber wir haben die Auswirkungen der massiven finanziellen Unterstützung der US-Haushalte unterschätzt. Dann kam der Krieg in der Ukraine hinzu und hat der Inflation über steigende Energiepreise nochmal einen deutlichen Schub verpasst.

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Michael Wittek ist Portfoliomanager bei Albrecht, Kitta & Co. Vermögensverwaltung und ist für die Anlagestrategie der Vermögensverwaltung verantwortlich.

Michael Wittek: Wir hatten zwar ebenfalls eine höhere Inflation erwartet. Aber nicht in diesem Ausmaß.

Eine hohe Inflation bedeutet auch immer hohe Zinsen. Rechnen Sie damit, dass sich das Zinsniveau in den kommenden Monaten weiter zurückbildet?

Wittek: 2023 werden die Renditen wahrscheinlich das ganze Jahr über stark schwanken. Wir gehen aber ab dem Frühjahr von fallenden Zinsen aus.

Herrmann: Ich wäre mir da nicht so sicher. Zwar dürfte die Inflation im Jahresverlauf sukzessive zurückgehen und zum Jahresende zwischen vier und fünf Prozent liegen. Das ist allerdings zu hoch, um rückläufige Renditen oder gar Zinssenkungen zu erwarten.

Deutsche Bundesanleihen mit zehnjähriger Restlaufzeit werfen derzeit eine Rendite von um die zwei Prozent ab, amerikanische Staatsanleihen sogar rund 3,5 Prozent. Ist das angesichts einer wahrscheinlichen Rezession nicht etwas ambitioniert?

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Reinhard Pfingsten arbeitet bei der Bethmann Bank als Chief Investment Officer und ist Mitglied im Management Team des globalen Investment Centers der ABN Amro Gruppe.

Pfingsten: Das kommt letztlich darauf an, wie tief und umfassend die Rezession sein wird. Die zwischenzeitlichen Rallys deuten darauf hin, dass Märkte noch optimistisch sind, dass die Rezession eher mild ausfällt, dass die Inflation zurückkommt und dass Zentralbanken früh wieder lockern können.

Wittek: Die EZB hat einem schnellen Rückgang der Leitzinsen in ihrer letzten Sitzung im Jahr 2022 einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich halte hier einen Politikfehler für wahrscheinlich. Sie hetzt mal wieder der Fed hinterher. Der Markt wird sich letztlich mit der Einpreisung der Rezession in den USA und Europa durchsetzen. Das dürfte für sinkende Zinsen sorgen.

Herrmann: Das sehe ich anders. Die langfristigen Zinssätze sind unserer Meinung nach sogar zu weit zurückgegangen. Wegen der hartnäckigen Inflation und entsprechend ausbleibenden Zinssenkungen müssten die Renditen eher wieder leicht anziehen.

Wenn Anleger mit sinkenden Zinsen rechnen, müssten sie ja eigentlich jetzt in Anleihen investieren, weil in diesem Szenario deren Kurse steigen würden?

Herrmann: Das aber ist nicht unser Szenario. Aufgrund der inversen Zinsstrukturkurve, das heißt, kurzlaufende Anleihen rentieren höher als langlaufende Bonds, bieten Anleihen mit kurzen oder mittleren Laufzeiten ein sehr gutes Chance/Risiko-Verhältnis. Selbst mit sehr soliden Unternehmensanleihen sind Renditen von knapp drei bis vier Prozent zu verdienen.

Wittek: Wenn wir über Staatsanleihen sprechen, erwarten wir tatsächlich eher sinkende Renditen. Stark gefährdet sind jedoch Anleihen bonitätsschwacher Emittenten. Hier sorgen höher werdende Prämien für Ausfallrisiken für Kursverluste der Anleihen.

Anleihe-Fonds und -ETFs haben 2022 deutlich an Boden verloren. Sind sie jetzt günstig oder drohen weitere Verluste?

Pfingsten: Insgesamt halten wir die aktuellen Renditeniveaus, gerade bei sicheren Staatsanleihen schon für attraktiv. Das Problem bei Fonds und ETFs ist aber, dass Sie dort immer eine Mischung verschiedener Laufzeiten bekommen und eventuell nicht vollständig an den aktuellen Renditeniveaus partizipieren.

Wittek: Investments mit Staatsanleihen aus den USA oder Deutschland sollten zulegen können. Aber auch Unternehmensanleihen mit kurzer Laufzeit und guter Bonität sollten profitieren.

Zu den wichtigsten Inflationstreibern zählen die Energiepreise. Seit dem Sommer fällt der Ölpreis aber wieder. Lohnt es sich jetzt wieder, in den Rohstoff zu investieren oder in Aktien der großen Ölförderer? Damit war ja 2022 gutes Geld zu verdienen.

Herrmann: Der Ölpreis leidet unter der Angst der Anleger vor einer tiefen Rezession. Doch auf Sicht der nächsten Jahre droht ein Angebotsdefizit, weil die Ölkonzerne unter dem Druck der Politiker - Stichwort ESG - immer weniger in die Exploration investieren beziehungsweise Banken solche Investitionen immer seltener finanzieren. Öl ist für mittelfristige Anleger daher auf einem attraktiven Niveau. Öl-Aktien dagegen nicht, weil deren Kurse sich vom Ölpreis abgekoppelt haben und auf einem vergleichsweise hohen Niveau handeln.

Wittek: Da bin ich anderer Meinung. Wir sehen die großen Öl-Firmen als vielversprechend an. Die meisten arbeiten auch noch bei Öl-Preisen von 50 Dollar je Barrel gewinnbringend.

Pfingsten: Öl dürfte aber auch 2023 stark von politischen Entwicklungen geprägt sein. Wir erwarten zudem eine Rezession in den westlichen Industrieländern und sehen aktuell schon, dass China als Folge der Null-Covid-Politik eine deutliche Schwäche der wirtschaftlichen Dynamik zeigt. Dies spricht mit Blick auf die nächsten Monate eher für eine anhaltende Schwäche der globalen Ölnachfrage, was den Ölpreis nach oben beschränken dürfte. Investitionen in Öl können aber eine Art Absicherung gegen geopolitische Risiken sein, zum Beispiel, dass Russland seine Ölexporte komplett einstellt.

Der Westen boykottiert russisches Öl. Was bedeutet das für das weltweite Angebot und den Preis?

Wittek: Es kommt letztlich zu einer Angebotsverknappung. Russland könnte sogar die Fördermenge kürzen, weil es gar nicht so viel Öl nach Asien logistisch liefern kann. Es gibt nur eine Pipeline nach China.

Herrmann: Das glaube ich nicht. Auch dieses Öl wird über Umwege in der Weltwirtschaft seine Abnehmer finden. Die Restriktionen wirken leider nicht wirklich. Der Einfluss auf den Ölmarkt dürfte begrenzt bleiben.

Pfingsten: Selbst der Westen boykottiert es ja nicht komplett. Viele andere Länder auf der Welt beteiligen sich überhaupt nicht an den Embargos.

Kommen wir zum Gold. Steigende Zinsen und der starke Dollar haben dem Edelmetall 2022 das Leben schwergemacht. Rechnen Sie weiter mit hohen oder sogar steigenden Zinsen und einem weiter festen Dollar?

Pfingsten: 2022 hat deutlich vor Augen geführt, dass Gold kein guter Schutz vor Inflation ist. 2023 dürfte sich die Situation für Gold verbessern. Wir erwarten ein Ende des Zinserhöhungszyklus sowie Richtung Jahresende erste Zinssenkungen. Da die Fed deutlicher als andere Zentralbanken vorangehen dürfte, sehen wir tendenziell eher einen schwächeren US-Dollar im Laufe von 2023. Dies dürfte im Gegenzug positiv für Gold sein.

Herrmann: Gold bleibt als Beimischung ein wichtiger Depotbestandteil, auch wenn es 2022 seinem Ruf als Krisenmetall nicht gerecht wurde. Das könnte sich in 2023 ändern, wenn die Ernsthaftigkeit der Inflationsbekämpfung durch die Notenbanken von den Märkten auf die Probe gestellt wird.

Wie hoch gewichten Sie Gold in den Depots Ihrer Kunden?

Wittek: Unsere Kunden sind durchschnittlich mit zehn Prozent in Gold investiert.

Herrmann: In der Regel mischen wir Gold mit fünf Prozent den Depots bei.

Pfingsten: Aktuell haben wir keine aktive Gewichtung in Gold.

Die Immobilienpreise sind ins Rutschen gekommen. Ist hier der Zeitpunkt reif für einen Einstieg?

Herrmann: Der Markt ist quasi zum Erliegen gekommen. Es finden nur noch sehr wenige Transaktionen statt. Viele potenzielle Käufer wurden durch die höheren Hypothekenzinsen aus dem Markt gedrängt. Mit etwas Glück kann man ein Schnäppchen machen, wenn jemand um jeden Preis verkaufen muss.

Pfingsten: Es ist nach wie vor so, dass die Nachfrage nach Wohnungen hoch bleiben wird, gerade in den großen Städten. Allerdings sorgen die hohen Zinsen schon für eine deutliche Marktabkühlung. Zudem kann die kommende Rezession, die ja auch in einer allgemeinen Abschwächung der Kaufkraft resultiert, für weitere Preisrücksetzer sorgen.

Zeitweise galten ja Bitcoin und andere Kryptowährungen als das moderne Gold. Ist es damit spätestens nach dem Zusammenbruch der Kryptobörse FTX vorbei?

Wittek: Der Bitcoin war, ist und bleibt in meinen Augen nichts anderes als ein hoch spekulatives "Risk-on"-Investment. Das heißt aber noch lange nicht, dass die Zeit des Bitcoins vorbei ist.

Pfingsten: Das Jahr 2022 hat aber in vielerlei Hinsicht für Ernüchterung gesorgt. Wenn nun noch große Player wie FTX unter Betrugsverdacht stehen, zerstört das zudem natürlich das Vertrauen in die Assetklasse insgesamt. Kryptowährungen werden uns aber als Spekulationsobjekte weiter begleiten.

Herrmann: Der Krypto-Markt droht liquiditätsmäßig auszutrocknen. Besser Finger weg.

Wenn Anleger vor der Aufgabe stehen, 25.000 Euro zu investieren - welche Anlage-Mix ist da angemessen?

Herrmann: Auch wenn Anleihen mittlerweile wieder mit Renditen von drei Prozent und mehr locken, betrachten wir Aktien für langfristige Anlagen unverändert die erste Wahl. Nur mit Sachanlagen besteht eine realistische Chance, langfristig Vermögen kaufkraftbereinigt zu erhalten und zu mehren. Wir würden zwei Drittel in internationale Aktien investieren, fünf Prozent in Gold und den Rest in Anleihen mit maximal vier Jahren Laufzeit.

Wittek: Der Mix sollte Aktien, bonitätsstarke Anleihen und Gold enthalten. Die unterschiedliche Gewichtung hängt von der individuellen Risikotoleranz ab.

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Pfingsten: Das lässt sich nicht allgemein sagen, es kommt ja auch auf Risikoneigung und Anlagehorizont oder persönliche Präferenzen an. Aktuell sind Anleger aber wieder in der Position, Alternativen zu Aktien zu haben. Renditen von soliden Anleihen sind wieder attraktiv und können den Grundstock für ein diversifiziertes Portfolio bilden. Als längerfristigen Renditebringer wird man aber auch in Zukunft an Aktien nicht vorbeikommen. Je nach Präferenz kann man dann auch immer noch Gold oder andere Alternative Investments hinzumischen.

Diese Publikation dient nur zu Informationszwecken und zur Nutzung durch den Empfänger. Sie stellt weder ein Angebot noch eine Aufforderung seitens oder im Auftrag der Albrecht, Kitta & Co. Vermögensverwaltung GmbH, der FIDUKA Depotverwaltung und der Bethmann Bank zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder Investmentfonds dar. Die in der vorliegenden Publikation enthaltenen Informationen wurden aus Quellen zusammengetragen, die als zuverlässig gelten. Die Albrecht, Kitta & Co. Vermögensverwaltung GmbH, die der FIDUKA Depotverwaltung und die Bethmann Bank geben jedoch keine Gewähr hinsichtlich deren Zuverlässigkeit und Vollständigkeit und lehnen jede Haftung für Verluste ab, die sich aus der Verwendung dieser Information ergeben.

(Dieser Artikel wurde am Montag, 26. Dezember 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de

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