Erste Hilfe digital Arztpraxis zu? Welche Apps jetzt helfen können
23.12.2022, 06:36 Uhr
Mist.
(Foto: dpa)
An den Feiertagen steht man vielerorts vor verschlossener Tür. Auch die meisten Arztpraxen nehmen sich eine Auszeit und bleiben dicht. Oder sind schon vorher hoffnungslos überfüllt. Leider zeigen sich Viren und anderer Unbill wenig beeindruckt. Doch diverse Gesundheits-Apps können Erkrankten weiterhelfen.
Leider machen Erkältung, Grippe und Co. auch vor Weihnachten, Silvester und Neujahr nicht Halt und drücken auf die Feiertagsstimmung. Wo der Gang zur Notaufnahme oder in eine Bereitschaftspraxis nicht nötig ist, müssen andere Maßnahmen für Abhilfe sorgen. Zum Beispiel digital: Viele Programme und Apps bieten dabei entscheidende Unterstützung. Sie helfen beim Monitoring, der Diagnostik und der Behandlung von gesundheitlichen Beschwerden. Doch wie so oft reicht auch hier der Wald weiter als das Auge. Aber wie erkennt man auf dem digitalen Marktplatz wirklich vertrauenswürdige Angebote?
Die Antworten darauf hat Eckhardt Weber. Er ist Experte für digitale Gesundheit, Investor und Gründer von Heal Capital. Sein Spezialgebiet: Digitale Lösungen, die den medizinischen Alltag erleichtern.
Die digitale Hausarztpraxis
Mit der Pandemie erlebte unsere Gesundheit einen Digitalisierungsschub, der jetzt auch die Hausarztpraxen erreicht. Gerade wenn es um die Terminkoordination geht, nutzen viele schon Apps wie beispielsweise Doctolib. Sie hilft Patienten bei der Suche nach Ärzten - Termine lassen sich dort schnell und einfach buchen. Wer aber sehr dringlich eine Sprechstunde braucht, greift vielleicht doch lieber zum Hörer: Denn bei einem Blick in die Google-Bewertungen fällt auf, dass wohl hier und da Fehler bei der Buchung von Terminen passieren. Meistens lässt sich das aber schnell und einfach regeln.
Darüber hinaus schöpfen einige wenige Arztpraxen ihre digitalen Möglichkeiten ganz aus: Neben herkömmlichen Sprechstunden vor Ort bieten sie auch solche per Video an. So macht das beispielsweise die digitale Hausarztpraxis Avi Medical. Wer vor Ort mit einem Arzt sprechen möchte, kann dies in München, Berlin, Hamburg und Stuttgart tun. Darüber hinaus kann der Arzt per Video-Sprechstunde konsultiert und sogar über Chat mit der Arztpraxis kommuniziert werden.
Wenn über die Feiertage die bekannten Praxen geschlossen sind, kann man sich unter der Nummer 116117 oder der Website www.116117.de über die Bereitschaftspraxen in seiner Nähe informieren.
Künstliche Intelligenz statt Sprechstunde
Wer zur Fraktion "Symptome erstmal googlen" gehört, bevor er zum Arzt geht, für den oder die verlief der Besuch bei Doktor Google in der Vergangenheit eventuell schon mal enttäuschend. Wer aber dennoch ungern direkt zum Arzt geht, hat eine vielversprechende Alternative: Symptomchecker. Mithilfe Künstlicher Intelligenz analysieren Apps wie beispielsweise Infermedica oder Ada Symptome und helfen dabei, sie zu verstehen. Die Ergebnisse erhalten Suchende innerhalb weniger Minuten. Zudem werden auch weiterführende Informationen zum festgestellten Gesundheitszustand bereitgestellt und Empfehlungen zur weiteren Behandlung ausgesprochen.
Hals-Nasen-Ohren-Apps
Man glaubt es kaum, aber auch in diesem Bereich hat die Digitalisierung Einzug gehalten. Die Anwendungen reichen von Prävention bis hin zu ganzen Therapien. Wer zum Beispiel an Allergien von Kräutern, Baum- und Gräserpollen leidet, wird von Apps wie Klarify täglich über Pollen-, Wetter- und Luftqualitätswerte informiert. Ist es ein lästiger Tinnitus, der schon seit längerem Probleme macht, ermöglichen Anwendungen wie Tinnitracks eine Neurotherapie ganz einfach via App. Damit werden Tinnitus-Frequenzen aus der Lieblingsmusik herausgefiltert, um überaktive Nervenzellen zu beruhigen. Patienten können sich eine eigene Playlist zusammenstellen und so den Tinnitus behandeln.
Psychisch fit und digital
Therapieplätze sind schon seit langem ein wunder Punkt in unserem Gesundheitssystem. Oft warten Patienten mehrere Monate auf einen Therapieplatz. Gerade deshalb sind digitale Angebote wichtig. Aber auch hier ist nicht alles Gold, was glänzt. Apps wie zum Beispiel Minddoc ermöglichen es, die eigene Gesundheit im Auge zu behalten. Andere bieten Online-Kurse an, die Betroffenen psychischer Belastungen einen schnellen und flexiblen Zugang zu fachgerechter Hilfe ermöglichen. Ein Beispiel hierfür ist Selfapy.
Wer einfach mal die eigenen Gedanken zur Ruhe bringen möchte, kann auf Apps wie 7mind zurückgreifen. Ein Coach hilft dabei, individuelle Routinen zu entwickeln und mehr Achtsamkeit im Alltag zu manifestieren. Denn ein großer Teil des psychischen Wohlbefindens geht auf gesunde Gewohnheiten zurück. Solche zu erlernen und zu etablieren ist nicht immer einfach. Doch auch dazu finden Sie im App- und Google Play-Store Unterstützung: actio hilft beispielsweise dabei, aktiv zu bleiben. Bei regelmässigen Live-Sessions mit echten Trainern werden die Nutzer an ihre Ziele erinnert - und lassen auch keine Ausreden gelten. Zudem kann man Live-Sitzungen mit Experten buchen und hat so direkt Zugang zu Support für Fitness, Wellness oder Vorsätzen fürs neue Jahr.
Mehr Gesundheit für Frauen
Hier gibt es ein kaum überschaubares Feld an Apps. Gerade deshalb fällt es schwer zu erkennen, welche da wirklich taugen. Apps wie beispielsweise Flo oder Clue arbeiten mit künstlicher Intelligenz oder anderen Technologien und sollen dabei helfen, den eigenen Zyklus zu verstehen. Mit der App behalten Frauen ihre Symptome im Auge und erhalten darauf basierende Vorhersagen für die kommende Zeit. Außerdem bietet die App sogar Geheim-Chats an, bei der sich die Nutzerinnen gemeinsam über sensible Themen austauschen können. Gerade für Frauen, die schwanger werden möchten, ist das Zyklus-Tracking eine wichtige Maßnahme.
Andere Anwendungen, wie beispielsweise die uma-App, richten sich an Frauen, die den Nachwuchs schon in wenigen Monaten erwarten oder gerade frischgebackene Mutter sind. Auch da werden Symptome eingeschätzt, doch finden die Nutzerinnen darüber hinaus Tipps und Tricks, diese zu mindern. Die App soll dabei helfen, die Frauen auf die Geburt vorzubereiten, und bestärkt sie, eigene Entscheidungen zu treffen. Zusätzlich haben sie Zugriff auf eine wissenschaftliche Mediathek, die über Podcasts, Artikel und Videos verfügt. Diese sind alle fachlich und wissenschaftlich geprüft.
Lifestyle Diseases und Volkskrankheiten
Unsere Gesellschaft kämpft unter anderem mit sogenannten "Lifestyle diseases" wie beispielsweise Herzkrankheiten oder Fettleibigkeit. Diese hängen in vielen Fällen mit Bewegungsmangel, ungesunder Ernährung und Dehydration zusammen. Deswegen zielen Bewegungs-Apps wie weward darauf ab, Menschen zu physischer Aktivität zu motivieren. Die App trackt über Sensoren des Smartphones die Distanz, welche zu Fuss zurückgelegt wird - und belohnt die Nutzer dafür mit sogenannten Wards. Diese können dann in Gutscheine, Spenden oder auch Euro umgewandelt werden. Solche Bewegungs-Apps sind auch im Kampf gegen die großen Volkskrankheiten wichtig - gerade für jene, die an Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Adipositas leiden.
So bieten Apps wie zanadio ein digitales und individuell zugeschnittenes Abnehmprogramm an, das eben nicht auf Verzicht, Verbote und Kalorienzählen setzt. Viel eher sollen Änderungen in den Bereichen Verhalten, Bewegung und Ernährung erzielt werden, was zu langfristigen Erfolgen führt. Auch für Diabetes- und Krebs-Patienten gibt es schon Anwendungen, die ihren medizinischen Alltag erleichtern. Diabetiker können den Blutzucker über Sensoren im Auge behalten. Diese senden die Werte direkt an ein App, die im Falle von Über- oder Unterzuckerung einen Alarm auslöst. Diese Kombination aus Sensoren und Apps, wie beispielsweise die von Freestyle Libre, ist auch für Kinder durchaus sinnvoll. Eltern können so den Blutzucker Ihres Kindes im Auge behalten, auch wenn sie gerade auf dem Weg zur Schule oder auf dem Spielplatz sind.
Apps können auch bei anderen Volkskrankheiten, wie beispielsweise Krebs, helfen. Dazu gibt es Apps wie Cankado, die dabei helfen, einen Überblick zu behalten. Patienten können in der App ihre Dokumente ablegen, Termine eintragen oder auch einfach ein Tagebuch führen. Andere Apps, so zum Beispiel die Mika-App, helfen bei der Bewältigung von Angst, Stress und Fatigue. Die Patienten erhalten tägliche Check-ups, fachliche Informationen über die Krankheit und verschiedene Kurse zum Resilienztraining. Das wirkt sich wiederum positiv auf die psychische Gesundheit aus.
Achtung Datenschutz: Von manchen Apps besser die Finger lassen
Wer Apps auf das Smartphone lädt, sollte sich vorher generell immer gut informieren. Obwohl App-Store und Google Play-Store gut gesichert sind, gelangt auch da ab und an eine Schadsoftware rein. Diese arbeiten im Hintergrund - egal ob beim harmlosen Spielen oder einer Gesundheits-App. Um sich abzusichern, sollte man auf bekannte Quellen setzen:
- Laden Sie nichts von Webseiten auf Ihr Smartphone. Achten Sie außerdem immer darauf, wer die App entwickelt hat. Haben Sie Informationen über den Hersteller und eine Möglichkeit, ihn im Notfall zu kontaktieren? Existiert eine Website, samt Impressum und Anschrift? Je mehr Sie über den Entwickler der App wissen, desto weniger hat dieser wohl zu verbergen. Bei Apps im Bereich Gesundheit sollten Sie besonders viel Wert auf den Hersteller legen. Denn da handelt es sich teilweise um sensible Gesundheitsdaten, die Sie nicht unzensiert ins World Wide Web spülen möchten.
- Achten Sie insbesondere auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und die Datenschutzerklärung (DSGVO): Sie haben und behalten nämlich zu jedem Zeitpunkt die Herrschaft über Ihre Daten, auch wenn Sie diese mit einer App teilen. Das bedeutet, die Daten müssen für Sie einsehbar und löschbar sein, wann immer Sie danach verlangen. Hinzu kommt, dass Sie stets ein Widerrufsrecht haben - auch bei Gesundheits-Apps. Sagen die AGBs und die DSGVO etwas anderes, ist das rechtswidrig und damit ungültig. Schauen Sie sich zudem die Berechtigungen an:
- Welche verlangt die App? Macht das Sinn? Hinterfragen Sie ruhig und hören Sie dabei auch mal auf Ihr Bauchgefühl. Achten Sie auch darauf, wie alt die App ist und wann sie zuletzt aktualisiert wurde. Mit Updates werden oftmals Sicherheitslücken geschlossen. Wurde bei einer App lange keine Aktualisierung mehr durchgeführt, deutet das auf schlechte Pflege seitens des Entwicklers hin - lassen Sie die Finger davon!
- Einen ausschlaggebenden Hinweis auf die Seriosität einer App geben schließlich Kommentare und Bewertungen. Diese finden Sie im App- und Google-Play-Store, auf bestimmten Portalen im Internet oder auch ganz einfach über Google. Erfahrungsberichte von anderen Nutzern können Hinweise auf Probleme und Lücken der App geben oder einfach nur eine Antwort auf die Frage: Hat die App wirklich die Funktionsweisen, die man braucht? Doch auch dabei müssen Sie kritisch bleiben: Auch Kommentare und Bewertungen können gefälscht werden. Achten Sie darauf, ob die Erfahrungsberichte übereinstimmen. Wo große Diskrepanzen herrschen, ist Vorsicht geboten.
Fazit: Es ist nicht alles Gold, was glänzt
Klar ist: Wer sich Gesundheits-Apps auf das Smartphone lädt, muss sich vorher gut informieren. Es gilt also, sich vorab zu überlegen, mit wem sensible Gesundheitsdaten geteilt werden sollen. Die Erfahrungen anderer Nutzer helfen dabei zu erkennen, welche Apps Ihre Versprechen auch halten - und davon gibt es einige. Wer sich den medizinischen Alltag ein Stückchen erleichtern möchte, hat da einige Möglichkeiten - die auch bedenkenlos zu nutzen sind.
Gesundheits-Apps können den Patienten helfen und dazu gleichzeitig das Gesundheitssystem etwas entlasten - wenn sie richtig genutzt werden. Mit einer klassischen Sprechstunde beim Arzt des Vertrauens lassen sich die digitalen Lösungen nicht vergleichen, aber die Digitalisierung der Gesundheit hält einige spannende Möglichkeiten parat. Dennoch gilt: Wer sich analog wohler und sicherer fühlt, sollte besser auf eine traditionelle Behandlung beim Arzt zurückgreifen. Und bei einem medizinischen Notfall - und bitte nur dann - gilt es in jedem Fall das Smartphone nur zum Telefonieren zu benutzen, um direkt bei der Feuerwehr unter 112 Hilfe zu holen.
Quelle: ntv.de, awi